Ein Blick in den Call-Center-Schrecken von Argentinien
Wer sich als Call-Center-Mitarbeiter outet, der wird häufig mit einem mitleidigen Blick bedacht. Im Allgemeinen wird der Job in einem Call-Center nicht sonderlich spannend, herausfordernd oder angenehm erachtet. Doch wer einmal einen Blick in die Call-Center in Argentinien wirft, der wird sich in hiesigen Call-Centern wie ein König vorkommen.
Der Regisseur Alejandro Cohen Arazi präsentiert einen Film über argentinische Call-Center, bei dem es jedem normalen Arbeitnehmer kalt den Rücken hinunterläuft. Der Film thematisiert vor allem die schlimmen Bedingungen in den Call-Centern: Von psychischem Terror durch Vorgesetzte, miserable Arbeitszeiten und natürlich einem unterirdischen Verdienst.
In Argentinien gibt es keine geregelten Arbeitsbedingungen, der jeweilige Arbeitgeber sorgt für das Equipment und die Räumlichkeiten nach seinem eigenen Gusto. Vielfach leiden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Unterdrückung durch ihre Arbeitgeber und einem Leistungsdruck, der kaum schaffbar ist. Arazi, dessen Film im September 2014 erstmal anlief, arbeitete selbst im Telemarketing und beschrieb seine Arbeit als eine Aufgabe, die „dich verrückt oder taub machen kann“. Fehlende Beschäftigungsverordnungen sorgen dafür, dass Unternehmen sich weder an Arbeitszeiten noch an irgendwelche Tarifverträge halten müssen – es gibt einfach keine Regelung dafür in Argentinien.
Call-Center-Agents in Argentinien arbeiten in kleinen Telefonboxen in Großraumbüros. Hier bekommen die Mitarbeiter den vollen Frust und Hass der Anrufenden ab, denn nicht selten handelt es sich um Servicehotlines für verschiedenste Branchen. Von der Bank über Bauunternehmen hin zu Telekommunikationsanbietern. Vor allem, wenn es darum geht, dass der Kunde weder SMS verschicken kann noch ins Internet kommt, mischt sich Hysterie und Panik in das Gespräch mit. Der soziale Kontakt mittels Telekommunikationsmedien ist in Argentinien überaus wichtig.
Neben all diesen Problematiken ist das Gehalt jedoch das größte Problem. Die unterirdische Bezahlung der leidgeplagten Mitarbeiter argentinischer Call-Center steht in keinem Vergleich zu den Arbeitsbedingungen. Oftmals werden nur wenige Cent bezahlt, ein Lohn, der nach langen, harten Arbeitstagen gerade so zum Überleben reicht. Direkt danach folgen Gesundheitsprobleme: Die Palette reicht von Rückenschmerzen über psychische Probleme hin zu Hör- oder Sehproblemen. Darüber hinaus werden die Mitarbeiter von ihren Vorgesetzten psychisch unter Druck gesetzt.
Die Arbeitsmittel sind dazu oft veraltet, langsam und verdreckt. Viele Mitarbeiter haben keinen festen Arbeitsplatz, sondern müssen jeden Tag aufs Neue sehen, an welchem Platz sie sitzen können. Unabhängig, ob der Kollege vorher krank war oder alles verdreckt hinterlassen hat. Wer das Glück hat, einen festen Arbeitsplatz zu bekommen und sich mit der Arbeit insgesamt zu arrangieren, der muss trotzdem jederzeit den Leistungsdruck durch Arbeitgeber fürchten. Permanente Kontrolle der Telefonate und Arbeitszeiten gehört zum täglichen Leben in argentinischen Call-Centern dazu, ebenso regelmäßiges Anschreien, so Celia Báez, die einer Gruppe von Arbeitnehmervertretern angehört.
Einen Lichtblick gibt es übrigens: Einige Mitarbeiter verschiedener Call-Center in Argentinien haben sich zusammengeschlossen, um einen transparenteren und würdigeren Arbeitsalltag zu schaffen. Sie finden weitere Informationen auf der Webseite der Gruppe „Movimiento Libres de Call Center“ oder bei „Telemarketers en lucha“.
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